In biblischen Zeiten folgten sieben fette auf sieben magere Jahre. Heute werden Zyklen im Wachstum der Volkswirtschaft Konjunktur genannt und seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts akribisch erforscht. Konjunkturforscher suchen Antworten auf die Frage, warum Wachstum und Niedergang sich abwechseln und wie diese Zyklen beeinflusst und vorhergesagt werden können.

Inhaltsverzeichnis

Konjunktur Begriffsgeschichte

Adam Smith lebte zu Beginn des Industriezeitalters in Schottland und gilt mit seinen Theorien über Arbeitsteilung und die Rolle des freien Marktes, die Fragen der Verteilung, des Außenhandels und die Rolle des Staates als Urvater der modernen Wirtschaftswissenschaften. Das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut ist heute das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin. Es wurde im Jahre 1925 vom Nationalökonomen und Präsidenten des statistischen Reichsamtes, Ernst Wagemann, gegründet. Aufgabe des Instituts war, systematisch Daten für die nach dem Ersten Weltkrieg aufkommende Konjunkturforschung zu sammeln und zu analysieren. Schnell wurde erkannt, dass das Potenzial einer Volkswirtschaft an Ressourcen, Arbeitskräften und Produktionseinheiten je nach Nachfragelage unterschiedlich ausgelastet sein kann und dazu Nachfragezyklen, die Konjunkturzyklen, nachgewiesen werden können. Zeitweise boomt die Volkswirtschaft, zeitweise ist das Wachstum nur mäßig und selten sogar rückläufig. Die Gesetzmäßigkeiten werden von den Konjunkturforschern erforscht. Der Nobelpreis für Wirtschaftsforschung wurde 1968 durch die schwedische Reichsbank gestiftet. Der Freiburger Friedrich August von Hayek erhielt als Konjunkturforscher den Nobelpreis.

Grundgrößen einer Volkswirtschaft

Die Konjunkturforschung ermittelte, dass neben den Daten über Produktionsausstoß, Umsätze und Bruttoinlandsprodukt es in einer Volkswirtschaft weitere wichtige Größen gibt, die auf den Konjunkturverlauf Einfluss haben. All diese Daten wurden in Zeitreihen systematisch durch die Statistiker und Nationalökonomen erfasst. Vorreiter waren die Forscher in den USA, andere europäische Länder folgten wie das Berliner Institut bald nach. Zunehmend etablierte sich in diesem Kontakt die Volkswirtschaftslehre als neue Wissenschaft, die von der Betriebswirtschaft zu unterscheiden ist. Typische und zentrale Variablen sind:

  • Beschäftigungsgrad
  • Durchschnittlicher Zinssatz
  • Staatsausgaben und Investitionen
  • Preise und Preisentwicklung

Der Keynesianismus und die Konjunktur

Konjunkturforschung war die Grundlage der Konjunkturpolitik. Einer der größten Volkswirtschaftler des 20. Jahrhunderts war der Brite John Meynard Keynes, dessen Ideen bis heute hohen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik haben. Für ihn war die Vermeidung von Arbeitslosigkeit infolge auch eines negativen Konjunkturverlaufes wichtigstes politisches Ziel. Keynes konzentrierte seine Forschung auf die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Grundgrößen. Er wandte sich gegen Senkungen der Löhne, denn diese werden Wachstumskrisen verschärfen und nicht abfedern. Er forderte den Eingriff des Staates durch die Geld- und Finanzpolitik, um einer negativen Entwicklung von Konjunkturzyklen entgegen zu wirken und die Konjunkturentwicklung auf einer optimalen Höhe zu halten. Die Volkswirtschaft tendiere eben, wie die Krisen zeigten, nicht automatisch zur Vollbeschäftigung, wie andere Ökonomen behaupteten, sondern der Staat müsse durch die Steuerung von Rahmenbedingungen wie die Geldmengensteuerung, die staatlichen Investitionen und weitere Mittel eingreifen. Ziel war die Steigerung der Nachfrage, um in Konjunkturkrisen wieder Vollbeschäftigung zu erreichen.

Globalisierung der Konjunktur

Keynes erkannte die globalen Einflüsse der Volkswirtschaft schon in den Zwanzigerjahren und behielt, wie die 1928 eintretende Weltwirtschaftskrise zeigte, Recht. Die weltweite Vernetzung in industrieller Produktion, Maschineneinkauf, Export und Logistik hat sich seitdem massiv gesteigert. Je höher der Exportanteil in einer Volkswirtschaft ist, desto höher ist der Einfluss wirtschaftlicher Entwicklungen in anderen Ländern von Bedeutung für den Konjunkturverlauf. Besonders hoch ist auch die Wirkung der Konjunktur im Euroraum, die in den letzten Jahren aufgrund der europäischen Binnenmärkte einen wachsenden Einfluss auf die nationalen Konjunkturen entwickelte. Die Konjunktur hat sich globalisiert. Die wichtigsten Länder für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland sind die Vereinigten Staaten, China, Japan, der Euroraum und das Vereinigte Königreich. Die Exportwirtschaft kann sehr negative Entwicklungen wie zum Beispiel in Japan zwischen 2019 und 2021 durch mäßigere Entwicklungen in anderen Regionen wie den USA, China, Indien und Lateinamerika teilweise auffangen.

Die Konjunkturforschung

Konjunkturforscher ermitteln langfristige Gesetzmäßigkeiten innerhalb des Konjunkturverlaufs. Neben den Ökonomen, die an Universitäten wirken, hat sich mittlerweile eine Reihe von bedeutsamen Konjunkturforschungsinstituten in allen großen Ländern der Welt und auch in Deutschland etabliert. Wichtigstes Benefit aus der Konjunkturforschung ist die Entwicklung von Methoden, um Voraussagen für die Zukunft der Konjunktur zu treffen. Die großen Institute geben gemeinsam bei der Bundesregierung ein jährliches Frühjahrsgutachten mit Prognosen für die Konjunkturentwicklung ab. In diesem Gutachten steht die prognostizierte Entwicklung des BIP als Wachstumsindikator im Zentrum. Die Institute veröffentlichen auch Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung.

Der Konjunkturverlauf

Zunächst litt die Konjunkturforschung infolge noch fehlender elektronischer Datenverarbeitung unter mangelnder Transparenz der Daten. Zu Anfang halfen die Konjunkturforscher sich mit Schätzungen, um die Schwankungen innerhalb der Konjunktur zu erfassen. Dabei wurden Daten wie die Arbeitslosendaten, die Erwerbsquote innerhalb der Bevölkerung und die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe übereinandergelegt. Es wurde bald festgestellt, dass diese Daten sich nach Abhängigkeiten untereinander entwickeln. Sie verändern sich in einer Korrelation, d.h., all diese Daten können zusammenhängend ähnlich in nahe beieinander verlaufenden Wellen dargestellt werden. Die Dauer einer solchen Welle beträgt mehrere Jahre und ist von kurzfristigen saisonalen Schwankungen und strukturellen Veränderungen zu unterscheiden. Die Arbeitslosenrate reagierte am schwächsten auf diese Kurven, weil auch aufgrund der Kündigungsschutzgesetze und der Personalpolitik der Unternehmen nicht jede Wachstumsbeule sofort zu massiven Entlassungen führt.

Der Konjunkturzyklus

Im Zeitverlauf konnten bei der Beobachtung des Konjunkturverlaufs Regelmäßigkeiten eines Auf- und Ab festgestellt werden, die sich in Sinuskurven darstellen lassen. Es konnten wiederkehrende, wellenförmige Auf- und Abs der Konjunktur konstatiert werden, die Konjunkturzyklus genannt werden. Zu unterscheiden sind dabei Konjunkturzyklen, die auf der gesamtwirtschaftlichen Produktion beruhen und längere klassische Konjunkturzyklen bilden. Werden die Zyklen auf der Basis von Wachstumsraten ermittelt, entstehen kürzere Zyklen. Wieder andere Theorien messen den Konjunkturzyklus nur an der Kapazitätsauslastung der Produktionsmaschinen. Dies führt grundsätzlich zu längeren Zyklen von mehreren Jahren oder Jahrzehnten Dauer. Ein wichtiger Forschungsbereich der Konjunkturforschung ist die Dauer dieser Zyklen.

Die Konjunkturphasen

Konjunkturphasen unterscheiden sich im Verlauf des Wachstums. Die Wachstumsrate drückt aus, um wieviel Prozent das Bruttoinlandsprodukt einer Periode im Vergleich zum Vorjahreszeitraum oder im Vergleich zum Vormonat gewachsen ist. Ein Konjunkturzyklus besteht aus den in unterschiedlicher Ausprägung wiederkehrenden Phasen, in denen das BIP schwach und dann stark wächst oder die Wachstumsrate fällt oder gar negative Werte erreicht. Wir kennen die Konjunkturphasen Aufschwung, Hochkonjunktur, Abschwung oder Rezession und manchmal auch der Depression.

Konjunkturindikatoren

Die Konjunkturlage wird durch Konjunkturindikatoren ermittelt. Die Wissenschaft nutzt unterschiedliche Daten, die als Indikatoren die wirtschaftliche Entwicklung anzeigen. Durch die ausgebaute Statistik und die elektronische Datenverarbeitung ist das dafür zur Verfügung stehende Daten- und Analysematerial heute sehr groß. Aus den Konjunkturindikatoren entwickeln die Wirtschaftsforschungsinstitute Prognosen für den künftigen Konjunkturverlauf. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erstellt einmal jährlich eine Konjunkturprognose. Ähnlicher Instrumente bedienen sich alle großen Volkswirtschaften. Die Bundesregierung kommentiert das Gutachten des Sachverständigenrates im Jahreswirtschaftsbericht.

Konjunkturtheorien

Die Wirtschaftswissenschaft ist wie andere Geisteswissenschaften auch zwischen verschiedenen Lagern und Konjunkturtheorien teils umstritten. Sie beruht immer auf einer Interpretation von Fakten und auch Sachverständigengutachten können kritisch hinterfragt werden. So werden etwa die Analysen und staatsinterventionistischen Empfehlungen von Keynes teilweise heftig unterstützt, oft energisch bestritten. Wer Gutachten und Empfehlungen untersucht, sollte prüfen, wer genau hinter dem jeweiligen Forschungsinstitut steht. Der Philosoph Jürgen Habermas hat festgestellt, dass viele Erkenntnisse in der Wissenschaft durch Interessen geleitet werden. Solche Erkenntnisse, die den eigenen Interessen dienen, wie zum Beispiel die Erfordernis gebremster Lohnanstiege, werden etwa von arbeitgebernahen Forschungsinstituten freudig begrüßt und intensiv ausgearbeitet. Andere Interessen, wie sie etwa gewerkschaftsnahe Institute unterstützen, erheben die Forderung nach einer Nachfragestützung, um weiteren Konjunktureinbruch zu verhindern. Objektive Entscheidungskriterien gibt es dann kaum, die Konjunkturpolitik entscheidet.